21 Okt. 2023 09:52 Uhr
Der Westen verwendet im Israel-Palästina-Konflikt ein altbewährtes Schlagwort, das schon im Fall der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine zum Tragen kam: Der Angriff sei „grundlos“ und „unprovoziert“ erfolgt. In beiden Fällen trifft das jedoch nicht zu.

Von Bradley Blankenship
Seit dem Überraschungsangriff der Hamas auf das israelische Volk vor zehn Tagen ist die Welt schmerzlich gespalten. Obwohl es keinen Zweifel daran gibt, dass Terrorismus und der Tod unschuldiger Zivilisten niemals ein akzeptables Mittel zur Erreichung politischer Ziele sein kann, gibt es im Hinblick auf den Kontext zwei völlig entgegengesetzte Auffassungen.

Die Tugendbekundungen des Westens überschlagen sich in Bezug auf Israel
Die Mehrheit des globalen Südens – ohne Indien – ist der Ansicht, dass sich die jüngste Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt über Jahrzehnte hinweg zugespitzt hat.
Auf der anderen Seite stimmten alle großen politischen Persönlichkeiten im Westen in den Chor der Verurteilung der Hamas ein und gingen sogar so weit, erneut zu dem überstrapazierten Schlagwort „unprovoziert“ zu greifen, so wie im angeblich „unprovozierten Angriff auf Israel„. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij trieb das am vergangenen Montag auf die Spitze, als er während einer NATO-Parlamentssitzung in Kopenhagen die Hamas mit Russland verglich.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelensky zieht eine Parallele zwischen dem Einmarsch Russlands in sein Land und dem Einmarsch der Terrorgruppe Hamas in Israel.

„Der einzige Unterschied besteht darin, dass es sich um eine terroristische Organisation handelt, die Israel angegriffen hat, und um einen terroristischen Staat, der die Ukraine angegriffen hat“.

Unterdessen schicken die USA eine Flugzeugträger-Kampfgruppe als Machtdemonstration ins östliche Mittelmeer, um Israel zu verteidigen.

https://odysee.com/@RTDE:e/Putin—Wollen-die-USA-etwa-den-Libanon-bombardieren-oder-was-sollen-die-Flugzeugtr%C3%A4ger-dort–:b?src=embed
Seymour Hershs Informant: „Leningrad-Ansatz“ zur Aushungerung der Menschen in Gaza
In einem Gespräch mit dem Nachrichtenportal Red wies der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis darauf hin, dass die Hauptverantwortung für die Vorbedingungen, die von den meisten Menschen auf der Welt als Ursache dieser jüngsten Eskalation angesehen werden – nämlich ein den Palästinensern aufgezwungenes Apartheidregime – hauptsächlich beim Westen liege, vor allem bei den USA und der EU.

Hier bleibt der stille Tod unzähliger Araber unbemerkt, während den medial vielbeachteten Gräueltaten gegen Israelis unbeirrt eine Verurteilung gewidmet wird.

Die Ungerechtigkeit gegenüber der palästinensischen Nation ist so offensichtlich geworden, dass sich die öffentliche Meinung im Westen gegen Israel zu richten beginnt.

Gaza-Eskalation: US-Diplomaten sollen Aufrufe zu einer „Waffenruhe“ vermeiden
Es ist kein Zufall, dass die Hamas ihren Angriff jetzt startete, nämlich zu einer Zeit, in der die militärischen Vorräte westlicher Länder dank ihrer kollektiven Unterstützung der ukrainischen Kriegsanstrengungen beinahe erschöpft sind. Politisch, diplomatisch und militärisch ist der Westen zu überlastet – und dennoch begnügt er sich offenbar damit, seine Stellvertreterkriege an einem neuen – und wahrscheinlich kostspieligen – Schauplatz zu eröffnen.

Und warum unterstützt der kollektive Westen keinen dauerhaften Frieden zwischen Israel und Palästina, obwohl die Mehrheit der Welt das unterstützt? Der Status quo tötet Araber – und er schadet auch den Israelis.
Streit um von der Leyen: Deutsche Position zum Nahostkonflikt in EU isoliert

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Man findet ihn auf X unter @BradBlank.
Am Rande eines großen Krieges – Wie der palästinensisch-israelische Konflikt voranschreitet
Widerstand in EU gegen von der Leyens „unkontrollierte“ Israel-Unterstützung
21 Okt. 2023 11:37 Uhr
Mehr als 800 EU-Mitarbeiter und Diplomaten aus aller Welt haben einen Brief an die Präsidentin der EU-Kommission unterzeichnet. Die Unterzeichner warnen davor, dass „der gesamte Gazastreifen und seine Bewohner von der Erde getilgt“ werden, wenn Israel seine Angriffe nicht stoppe.

Während der Gazastreifen weiter von Israel bombardiert wird, haben mehr als 800 EU-Beamte einen Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, geschrieben und deren „unkontrollierte“ Unterstützung für Israel kritisiert.

Terroranschlag der Hamas auf Israel: Schrecklich, aber nicht „unprovoziert“
Die Unterzeichner des Briefes, der dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera vorliegt, schreiben, dass sie „die Werte der EU kaum wiedererkennen„. Sie werfen von der Leyen vor, dass es eine „scheinbare Gleichgültigkeit [gibt], die unsere Institution in den letzten Tagen gegenüber dem anhaltenden Massaker an Zivilisten im Gazastreifen gezeigt hat, unter Missachtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts“.

Sie seien traurig über die „Doppelmoral“ der Kommission, die die Blockade der Ukraine durch Russland als Terrorakt betrachtet, während Israels Blockade des Gazastreifens „völlig ignoriert“ werde. In dem Brief heißt es:
„Wenn Israel nicht sofort aufhört, werden der gesamte Gazastreifen und seine Bewohner von der Erde getilgt. … Wir fordern Sie [von der Leyen] auf, sich gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs der gesamten Union für einen Waffenstillstand und den Schutz der Zivilbevölkerung einzusetzen. Dies ist das Herzstück der EU.“

Die Unterzeichner warnen, dass „die EU Gefahr läuft, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren„.
Das Schreiben verdeutlicht die Spaltung innerhalb der EU in der Frage, wie man den Krieg zwischen Israel und der Hamas angehen soll, dem in weniger als zwei Wochen Tausende Menschen zum Opfer fielen.
EU-Kommission rechtfertigt sich
„Die jüngsten unglücklichen Aktionen oder Positionen der Europäischen Kommission scheinen der Beschleunigung und Legitimierung eines Kriegsverbrechens im Gazastreifen freie Hand zu geben„, heißt es in dem Brief. Im Gazastreifen seien in weniger als zwei Wochen Tausende Palästinenser getötet worden, darunter viele Kinder. Weiter schreiben die Unterzeichner:
„Wir wären stolz gewesen, wenn die Europäische Union … eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und der wahllosen Gewalt gegen Zivilisten gefordert hätte.“
Die EU-Kommission reagierte auf den Brief der Mitarbeiter und Diplomaten und erklärte, dass sie bereit sei, mit Mitarbeitern und europäischen Bürgern in Kontakt zu treten, um deren Ansichten zu verstehen. :
Europa wird immer auf der Seite der Menschlichkeit und der Menschenrechte stehen.“
„Situation völlig falsch eingeschätzt“
Eine EU-Quelle, die um Anonymität bat, erklärte gegenüber Al Jazeera, dass der Brief die EU-Politik wahrscheinlich nicht ändern werde, aber, so die Quelle weiter, „er zeigt die wachsende Kluft zwischen vielen Mitarbeitern, die internationales Recht auf der ganzen Welt angewendet sehen wollen“.
Von der Leyen hält sich derzeit in den Vereinigten Staaten zu einem EU-US-Gipfel auf. Sie erklärte am Donnerstag:
„Wir unterstützen die Ukraine in ihrem Kampf um Freiheit. Wir stehen Israel zur Seite und kümmern uns um die humanitären Bedürfnisse in der Region.“
Eine weitere EU-Quelle erklärte gegenüber Al Jazeera, dass der Dissens zunehme, weil von der Leyens Team „die Situation völlig falsch eingeschätzt zu haben scheint“. Die Quelle fügte hinzu:
„Sie – sie und ihre engsten Berater – dachten, dass dies [der Krieg zwischen Israel und der Hamas] ein ukrainischer Moment sein würde und sie deshalb die Terroristen verurteilen und das moralische Argument gewinnen müssten. Aber ich denke, dass sie das Ausmaß der Unterdrückung der Palästinenser und das weitverbreitete Verständnis des Konflikts als gewaltsame Reaktion auf die Besatzung einfach ignoriert haben.“
Und weiter:
„Ihr Team versucht, seine Linie zu korrigieren und zuzugeben, dass es die Situation falsch eingeschätzt hat. Sie versuchen, ein Narrativ zu entwerfen, in dem sie immer noch als treue Verbündete Israels, aber auch als diplomatische Kraft in der Region gesehen werden können, während sie versuchen, ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine aufrechtzuerhalten. … Aber in diesem Fall sieht es so aus, als ob die Amerikaner die Erwachsenen im Raum sein werden.“
Auch beim EU-Parlament regt sich laut Al Jazeera Widerstand. Eine Quelle, die um Anonymität bat, erklärte gegenüber dem Nachrichtensender:
„Zwei der drei Präsidenten [von der Leyen und Metsola] plötzlich in Israel zu sehen, Schulter an Schulter mit einem Regime, das Zivilisten tötet, war ziemlich schockierend.“
Unliebsame Berichterstattung: Israel will alternative Medien zeitweise verbieten
Zudem werde der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, nun von einigen Mitarbeitern gelobt, die ihm eine nuanciertere Haltung gegenüber der aktuellen Situation in Gaza attestieren. Während des jüngsten Krieges hatte Borrell regelmäßig sowohl die Freilassung israelischer Geiseln in Gaza als auch die schnelle Bereitstellung von Hilfsgütern für den belagerten Gazastreifen am Rande des Zusammenbruchs gefordert.
„EU hilflos abgewürgt“
Kristina Kausch, Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States mit Sitz in Madrid, sagte gegenüber Al Jazeera, dass die „Ungereimtheiten“ einen Einblick in die „tiefe Spaltung der EU in diesem Konflikt“ geben.
In den letzten zehn Jahren, so fügte sie hinzu, sei es den 27 Nationen der EU kaum gelungen, gemeinsame Erklärungen zur israelisch-palästinensischen Krise abzugeben.
Infolgedessen sei die EU-Politik in Bezug auf das israelisch-palästinensische Dossier, ein wichtiger Maßstab für die Effektivität der EU als globaler Akteur, „hilflos abgewürgt worden“, so Kausch.
Am Donnerstag verabschiedeten die Mitglieder des Europäischen Parlaments in Straßburg eine Resolution, die eine „humanitäre Pause“ im jüngsten Krieg zwischen Israel und Gaza fordert.
Ein EU-Abgeordneter, mit dem Al Jazeera gesprochen hat, sprach von einer angespannten Atmosphäre innerhalb der Institution, in der sich viele schämen, für die EU zu arbeiten. Die Quelle erklärte:
„Für meine Generation von Arbeitnehmern bedeutet ‚Nie wieder‘ tatsächlich etwas. … Wir erinnern uns an den 11. September und viele von uns haben gegen den Krieg im Irak protestiert. Daher glaube ich, dass viele Menschen entsetzt waren, als von der Leyen und Metsola Israel einen Freibrief ausstellten, offenbar in unserem Namen. Ich habe das Gefühl, dass der Raum, in dem man seine Solidarität mit den Palästinensern ausdrücken kann, immer kleiner wird.“
Die „Verquickung des jüdischen Volkes mit dem Staat Israel“ sei ebenfalls „ein Problem“.
Auch in den USA scheint es bezüglich der Haltung der Biden-Regierung zum Nahost-Konflikt Uneinigkeit zu geben. Laut mehreren US-Medien sollen US-Diplomaten ein „Dissent Cable“ zum Krieg im Nahen Osten vorbereiten, ein Dokument, das Washingtons Politik kritisiert und an die Leiter des Außenministeriums gehen soll.
Das Drama von Rafah und der humanitäre Wille des Westens

Gaza-Konflikt: Moskau schickt Hilfsgüter – Berlin schickt Baerbock

https://de.rt.com/europa/184509-widerstand-in-eu-gegen-von/
Vom Rassismus deutscher Politik – Israel und Ukraine

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