Eine Insel in der Südsee, eine Ranch in Neuseeland. Superreiche kaufen sich Rückzugsorte rund um den Globus. Die Pandemie verstärkte diesen Trend zum De-luxe-EskapismusMilliardäre: Wo sie hin wollen, wenn die Welt untergeht
Katja Müller14.03.2022

Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich vor kurzem einen Stausee gekauft. Mit der ungewöhnlichen Anschaffung erweitert er seinen bereits riesigen Besitz in Hawaii. Nachdem er in den letzten Jahren 600 Hektaren Land auf der Insel Kauai erstanden hatte, darunter eine Rinderfarm, ist nun der Stausee Ka-Loko dazugekommen. Kostenpunkt der mehrjährigen Einkaufstour: 170 Millionen Dollar.

Ironischerweise ist die eigene Privatsphäre dem CEO des grössten Social-Media-Unternehmens also einiges wert. Grossgrundbesitz auf einer einsamen Insel bietet sich da an, und die Pandemie trug das Ihre dazu bei; so soll Zuckerberg einen Teil des Lockdowns auf seinem Anwesen in Hawaii verbracht haben.
Gute Investition und viel Platz
Mark Zuckerberg ist nicht der einzige Multimilliardär, der sich in den letzten Jahren riesige Rückzugsorte geleistet hat. Zu seinen – entfernten – Nachbarn auf Hawaii gehören Oprah Winfrey und Jeff Bezos. Corona beschleunigte den Trend, dass Superreiche ihr Geld in Immobilien investieren. Nicht nur in Hawaii, auch in Dubai oder Singapur wurden so viele Häuser gekauft wie selten zuvor. In turbulenten Zeiten scheinen solche Investitionen sichere Anlagen zu sein. Zudem kamen viele dieser Orte anfangs relativ gut durch die Pandemie; Wohlhabende liessen sich dort nieder, um das Virus auszusitzen und gleichzeitig ihren luxuriösen Lebensstil beibehalten zu können.

Gefragt waren aber vor allem dünn besiedelte Gegenden. Hoch im Kurs standen private Inseln oder Anwesen auf dem Land. Wenn man schon nicht mehr im angesagtesten Restaurant Manhattans essen konnte, so wollte man wenigstens am eigenen Strand spazieren gehen und im Privatwald ausreiten. Dazu passen ein Haus mit Weinkeller, Pools, Tennisplätzen sowie ein Heer von Angestellten, die das alles bewirtschaften.
Rückzugspläne bestehen schon länger
Milliardäre setzten in der Pandemie Pläne um, die sie seit längerem ausgeheckt hatten. Insbesondere Tech-Unternehmer aus dem Silicon Valley bereiten sich offenbar seit Jahren akribisch auf apokalyptische Szenarien vor – Unternehmer, die die Welt sonst mit Klicks und Ideen verändern wollen. Yishan Wong, ehemaliger CEO von Reddit, erklärte gegenüber dem «New Yorker»: «Leute aus der Tech-Branche gehen Risiken sehr viel mathematischer an.» Das bedeute nicht zwingend, dass man damit rechne, dass die Gesellschaft bald kollabiere.
«Das ist noch immer ein weit entferntes Ereignis, aber eines mit sehr schwerwiegenden Folgen», sagt Wong. «Also ist es nur logisch, von dem vielen Geld, das man besitzt, einen guten Teil in die Vorbereitung darauf zu investieren.» Ihre fast unendlichen Ressourcen unterscheiden die Investoren von gewöhnlichen Preppern, also Aussteigern, die etwa im selbstgebauten Bunker Notvorräte horten.
Die Multimilliardäre haben vor unterschiedlichen Katastrophen Angst: einem nuklearen Schlag, einer weiteren Pandemie, einem Klimadesaster. Was viele aus dem Silicon Valley ebenfalls beschäftige, seien die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz, so der «New Yorker». Durch sie würden immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren, was wiederum zu einem Aufstand gegen die Technologie-Unternehmer führen könnte. Die Angst vor politischen Unruhen motiviert manche zu Fluchtplänen. Zudem ist den Tech-Preppern klar, wie stark alles miteinander vernetzt ist und wie anfällig das digitale System geworden ist.
Neuseeland als Rettung
Hoch im Kurs als Zufluchtsort für amerikanische Superreiche ist Neuseeland. Eine Studie der Anglia Ruskin University in Grossbritannien kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass das Land einer der wenigen Orte wäre, wo sich eine Apokalypse überleben liesse.
Die Insel ist dünn besiedelt – es leben siebenmal mehr Schafe als Menschen dort, es hat genug sauberes Wasser, grosse Landwirtschaftsflächen, und die Energieversorgung kann unabhängig funktionieren. Die Chancen, als Selbstversorger über die Runden zu kommen, stehen hoch. Während der Pandemie zeigte sich allerdings, dass auch ein perfekter Plan scheitern kann. Einige Milliardäre hatten zwar ihre vollgetankten Privatjets startklar, Neuseeland schloss jedoch die Grenzen schon früh und liess praktisch niemanden mehr ins Land.
Der Paypal-Mitgründer und Trump-Unterstützer Peter Thiel war 2015 einer der ersten amerikanischen Superreichen, die in Neuseeland Land kauften. Sein Besitz soll laut «Guardian» so gross wie Lower Manhattan sein. Er bezeichnete die Insel als sein «Utopia». Überhaupt begeistert Neuseeland unterschiedliche Typen von potenziellen Aussteigern. Neben Tech-Unternehmern suchen dort auch Hedge-Fund-Manager oder Berühmtheiten aus dem Showgeschäft ihr Glück. Politisch stehen sie sich zum Teil diametral gegenüber – viele würden sich als Libertäre bezeichnen, andere befürchteten nach Trumps Wahl eine Erosion der politischen Institutionen in den USA. Wieder andere suchen keinen Ort der Zuflucht vor der Apokalypse, sondern vor den Steuerbehörden.
Eskapismus statt Lösungen
Aber selbst aus den Reihen der Superreichen kommt Kritik an den Aussteigerplänen. Der Paypal-Mitgründer Max Levchin sieht in diesem Eskapismus ein Versagen der Verantwortlichen, eine «moralische Fehlberechnung»; es müsste in Lösungen investiert werden, nicht in Fluchtmöglichkeiten, sagte er im «New Yorker». Doch die Tendenz zeigt sich auch in den Weltraumabenteuern amerikanischer Milliardäre wie Jeff Bezos und Richard Branson; sie zeugen von einer Abwendung vom realen Leben und von seinen Problemen.
Allerdings treiben nicht nur drohende Katastrophen oder Eskapismus Multimilliardäre zu Investitionen weit weg von ihrer Heimat. Oft stehen politische Überlegungen im Zentrum. Beste Beispiele sind Städte wie Vancouver oder London. Russische Oligarchen kauften sich in der britischen Hauptstadt ein, nach Kanada fliesst schon seit Jahrzehnten chinesisches Geld. In den 1990er Jahren war die unsichere Zukunft Hongkongs ein treibender Faktor für Superreiche der Stadt, ihr Vermögen ausser Landes zu schaffen. Später investierten auch Milliardäre vom chinesischen Festland, die sich vor politischer und wirtschaftlicher Instabilität fürchteten, in Vancouver. Nicht immer waren die Machenschaften legal, wie Fälle von Geldwäscherei und organisiertem Verbrechen zeigten.

Preise schnellen in die Höhe
Der Kauf riesiger Grundstücke und Immobilien wird in den jeweiligen Ländern mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Während einige die Investitionen positiv sehen, wehren sich viele gegen diese Art der Vereinnahmung. Die Nachfrage von Superreichen treibt den Wert der Grundstücke in die Höhe. Normalverdienenden bleibt oft keine Möglichkeit mehr, etwas zu kaufen. Zudem benutzen die Milliardäre ihre Häuser nur wenig und lassen diese lange leer stehen.
Indigene in Hawaii und Neuseeland bezeichnen das Vorgehen der Milliardäre als Neokolonialismus. Mark Zuckerberg verspielte sich beispielsweise viel Wohlwollen, als er hawaiische Familien verklagte, denen kleine Parzellen auf seinem Gebiet gehörten. Diese waren seit Generationen in ihrem Eigentum, Besitzurkunden gab es traditionellerweise nicht. Zuckerberg liess die Klagen zwar fallen, der Schaden war aber angerichtet. In Neuseeland reagierte man auf den Landausverkauf, indem es Ausländern erschwert wurde, Grundstücke zu erwerben, und auch in Vancouver versucht die Regierung seit einigen Jahren, den Geldstrom aus China etwas einzudämmen.
Fahrt entlang der Mauer, die Mark Zuckerberg bei seinem Anwesen in Hawaii hat errichten lassen.
In Grossbritannien rücken die russischen Oligarchen durch den Krieg in der Ukraine ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die britische Regierung verhängte Sanktionen und gelobte Besserung; der für seine kontroversen Ansichten bekannte stellvertretende Premierminister Dominic Raab schlug laut Medienberichten vor, Villen russischer Eliten ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Die milliardenschweren Einkaufstouren und Fluchtpläne Privilegierter hinterlassen angesichts des Krieges einen schalen Beigeschmack.
Milliardäre: Wo sie hin wollen, wenn die Welt untergeht
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