Medwedew erklärt, was Kiew und der Westen im Donbass wollen
30 Aug. 2024 22:15 Uhr
Die Ukraine und ihre Sponsoren sehen die Regionen Donezk und Lugansk als Geldquelle, so der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew.
Dmitri Medwedew (August 2024)
Die Ukraine kämpfe so hart um den Donbass, weil dieser über große natürliche Ressourcen verfüge, die Kiew und seine ausländischen Unterstützer ausbeuten wollten, erklärte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew am Freitag.
Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk, die sich zusammen mit den Regionen Cherson und Saporoschje im Herbst 2022 offiziell Russland angeschlossen hatten, seien der Ukraine kulturell „völlig fremd“, schrieb Medwedew auf Telegram. Der Grund, warum die Kiewer Behörden so verzweifelt versuchen, sie zurückzubekommen, sei trivial:
Indessen hätten Kiews Unterstützer in den USA und der EU ebenfalls hätten viel für die Unterstützung der Ukraine während des Konflikts ausgegeben, was deren Bevölkerungen „irritiert“ habe, so Medwedew, der stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrats ist.
Der Westen hoffe, dass sich seine Investition in die Ukraine mit Dividenden auszahle, erklärte Medwedew und fügte hinzu, dass Selenskij selbst bedeutungslos sei.
Medwedew erinnerte die Leser daran, dass die natürlichen Ressourcen im Donbass nach frei zugänglichen Daten auf einen Wert von 7,3 Billionen Dollar geschätzt werden. Das Gebiet sei reich an Kohle, Metallen, Seltenen Erden und anderen wertvollen Materialien, darunter auch Lithium, fügte er hinzu.
„Um Zugang zu den begehrten Mineralien zu erhalten, verlangen die westlichen Parasiten schamlos, dass ihre Schützlinge [in Kiew] bis zum letzten Ukrainer Krieg führen“, schrieb er.
Westliche Politiker äußern ihre Pläne unverhohlen. Im Juni hatte der republikanischen Senators Lindsey Graham die Ukraine als „Goldmine“ bezeichnet, da sie über große Reserven an „kritischen Mineralien“ verfüge. Graham hatte dafür plädiert, dass Washington Kiew im Konflikt mit Moskau weiter unterstützen sollte, um sicherzustellen, dass diese „Vermögenswerte von der Ukraine und dem Westen genutzt und nicht Putin und China“ überlassen werden.
Da das russische Militär seit Anfang des Jahres stetig Fortschritte im Donbass mache „bleibt die Tatsache bestehen, dass die wirtschaftliche Grundlage der ukrainischen Staatlichkeit untergraben wurde“, schrieb Medwedew. Die Ressourcenbasis, die sich Kiew nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 „unrechtmäßig angeeignet“ habe, sei „in ihr Heimatland“, nämlich Russland, zurückgekehrt, sagte er.
Doch das geschieht auch nach dem ukrainischen Überfall auf die Region Kursk nicht, was nach Meinung vieler in Russland das Gefühl der Straflosigkeit bei Selenskij stärkt. Dafür gibt es nach Meinung des Politologen Geworg Mirsojan gewichtige Gründe.
Das Gebäude des Presidialamtes auf Bankowaja Straße in Kiew (Symbolbild)
Von Geworg Mirsojan
„Du hast ihm gegeben, was er wollte, und ich habe ihm gegeben, was er brauchte.“ Dieser Satz aus dem Film „Legion“ charakterisiert treffend das Verhältnis zwischen der russischen Bevölkerung und Präsident Wladimir Putin in der Frage eines „großangelegten Vergeltungsschlags gegen die Ukraine“.
Es ist kein Geheimnis, dass jeder Zweite in den sozialen Netzwerken einen solchen Schlag fordert. Und wenn das Gerede vom Einsatz taktischer Nuklearwaffen als übertrieben und unnötig abgetan werden kann (da wir unsere derzeitigen und zukünftigen Territorien nicht infizieren werden), dann ist etwa die Möglichkeit von Raketen- und Bombenangriffen auf Kiew durchaus diskutabel.
Dabei geht es natürlich nicht um Angriffe auf Wohngebiete, sondern um die Zerstörung von Entscheidungszentren, sowohl militärische (Generalstab, Verteidigungsministerium, Hauptnachrichtendienst, SBU) als auch zivile (Präsidialamt in der Bankowaja Straße, Werchownaja Rada, Ministerkabinett). Und dafür gibt es viele Argumente:
Das erste Argument ist die Gerechtigkeit. Für das Kiewer Regime gibt es keine Regeln des Krieges. Es organisiert die Ermordung von russischen Journalisten. Es greift Kernkraftwerke an (was selbst viele terroristische Organisationen nicht wagten). Es foltert russische Gefangene. Es beschießt systematisch und gezielt zivile Objekte sowohl auf dem „alten“ als auch auf dem „neuen“ russischen Territorium. Schließlich verhält es sich provokativ und abfällig gegenüber Präsident Putin.
Argument zwei ist die Einschüchterung. Ja, es ist wahrscheinlich, dass keiner der wichtigen Leute zum Zeitpunkt des Angriffs in diesen Gebäuden sein wird – die Entscheidungsträger in der Ukraine (oder diejenigen, die direkt aus London Anweisungen erhalten) sitzen schon lange in Bunkern. Die Gebäude selbst sind jedoch Symbole des ukrainischen Staates. Ihre Zerstörung wird Russlands Entschlossenheit demonstrieren, nicht nur den Krieg bis zu einem siegreichen Ende zu führen, sondern auch den Wunsch, die wichtigsten ukrainischen Terroristen zu erreichen. Und dann werden andere potenzielle Terroristen vielleicht davon absehen, die Regeln der Kriegsführung zu verletzen. Und die Bevölkerung der Ukraine wird erkennen, welche Konfliktpartei Stärke und Entschlossenheit – und damit den Sieg – auf ihrer Seite hat.
Das dritte Argument ist die Veranlassung – nicht von den Führern des Kiewer Regimes, denn es ist klar, dass Selenskij, Budanow und andere nicht mehr verhandlungsfähig sind. Sie wissen sehr wohl, dass sie am Ende des ukrainischen Experiments alle ein Haus in London, eine anständige Summe Geld auf ihren Konten und eine Garantie für den Schutz vor Moskau haben werden (falls dieses plötzlich beschließen sollte, das „Schwert des Gedeon“ aus seiner Scheide zu ziehen).
Ein erheblicher Teil der regionalen Eliten verfügt jedoch nicht über eine solche Garantie – insbesondere der Teil, der den Osten der Ukraine regiert – und vor allem der Teil, der sich auf dem vom Kiewer Regime besetzten russischen Gebiet befindet. Derzeit demonstrieren sie unter der Kontrolle des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) Loyalität gegenüber Kiew, auch weil sie keine Bedrohung aus Moskau sehen.
Sie glauben, dass sie evakuiert werden können, wenn sich russische Truppen nähern. Wenn Russland jedoch zeigt, dass es einen Kurs der physischen Zerstörung von Entscheidungsträgern auch auf regionaler Ebene eingeschlagen hat (d. h. es wird, einfach ausgedrückt, damit begonnen, regionale und städtische Verwaltungen zu treffen, wie es zu Beginn der Militäroperation in Nikolajew geschah), dann werden vielleicht auch diese Eliten erkennen, auf wessen Seite Stärke und Entschlossenheit liegen. Dann werden sie auf den Modus der örtlichen Vorsteher zu Zeiten des Bürgerkriegs, als sich die Macht am Tag mehrfach wechseln konnte, umschalten und Kontakte zu Moskau suchen. Das klingt natürlich ein wenig lasziv – aber solche Kontakte werden der russischen Armee helfen, Gebiete schneller zu befreien und damit viele Leben russischer Soldaten und der Zivilbevölkerung der Russischen Föderation zu retten.
Doch trotz dieser drei offensichtlichen Argumente schlägt Moskau immer noch nicht zu. Ja, die Ukraine wird regelmäßig von Geran, Kinschal, Iskander und anderen Produkten des russischen militärisch-industriellen Komplexes besucht, aber sie treffen militärische Einrichtungen, Energieinfrastruktur, Gaskompressorstationen, Lagerhäuser und so weiter. Keiner von ihnen traf jemals ein Regierungsgebäude.
Nach Ansicht einer Reihe von Experten hat dies den Kiewer Regimechef nur noch dreister und unverfrorener gemacht. Im Gefühl der eigenen Straffreiheit und Unverwundbarkeit organisierte er zusammen mit anderen Führern des Regimes einen regelrechten Nomadenüberfall auf die Region Kursk, wo auf seinen Befehl hin Zivilisten entführt wurden, um den „Austauschfonds“ wieder aufzufüllen.
Und auch danach steht die Bankowaja Straße unversehrt und intakt da. Sie steht und wird auch weiterhin stehen. Ganz einfach, weil die Gegner der Schläge ihre eigenen, nicht weniger schwerwiegenden Argumente haben. Ihnen geht es nicht um Rache oder Gerechtigkeit, nicht um Wecken irgendwelcher Anreize oder Angst, sondern um Kosten und Strategie.
Ja, es ist möglich, symbolisch wichtige Gebäude zu zerstören – die Kinschals sind dazu durchaus in der Lage. Allerdings wird es eine große Zahl von Kollateralschäden geben. Von Reinigungskräften und Sekretärinnen bis zu Zivilisten (diese Gebäude sind von Wohngebäuden umgeben). Selenskij kann daraus mit bekannten Massakervorwürfen nach Art eines „Butscha“ wieder politisches Kapital schlagen und Moskaus internationale Position ernsthaft erschweren. Ja, Russland kann die Reaktion der westlichen Länder ignorieren, aber das Image Moskaus im Globalen Süden wird leiden.
Darüber hinaus werden diese Schläge Moskau zwingen, seine derzeitige Strategie zur Durchsetzung der militärischen Sonderoperation zu ändern – die Strategie des Zermürbungskrieges, die garantiert zum Sieg über das Regime in Kiew führen wird. Moskau vermied öffentlichkeitswirksame Aktionen und zerstörte systematisch die ukrainische Armee und Infrastruktur, während es immer wieder angeboten hat, sich an den Verhandlungstisch zu setzen (und sozusagen die Schuld für die Fortsetzung des Krieges auf Selenskij und seine ausländischen Herren abzuschieben).
Das ist notwendig und wichtig, denn nach der Militäroperation muss Moskau die Bevölkerung der befreiten Gebiete integrieren – und die muss wissen, dass nicht die russische Armee für all die Verluste und Zerstörungen verantwortlich ist, sondern das Kiewer Regime, das die Angelegenheit nicht friedlich regeln wollte.
Wladimir Putin scheint also zu versuchen, der russischen Bevölkerung nicht das zu geben, was sie will, sondern das, was sie braucht. Nicht Rache, Gerechtigkeit, Einschüchterung – sondern den Sieg im Krieg.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 29. August 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.