Der Krieg zweier Welten hat begonnen
Beschleunigte Entwicklung aufgrund des Verhaltens der USA

In unseren zahlreichen Beiträgen über BRICS haben wir aufgezeigt, dass der beschleunigte Aufstieg von BRICS schlussendlich als eine Konsequenz der aggressiven Aussenpolitik der USA zu sehen ist. Eine Politik welche sich neben militärischer Aggression dadurch auszeichnete, dass die USA ihre Leitwährung US-Dollar einerseits verfallen lässt und andererseits als Waffe einsetzt, was 2022 darin gipfelte, dass der Westen die Währungsreserven der russischen Zentralbank einfror und jetzt stiehlt – wenigstens die Erträge daraus.
Neben SCO und anderen Organisationen im Globalen Süden ist BRICS aus wirtschaftlicher Sicht auf jeden Fall die gewichtigste Organisation, die es je gegeben hat. Die Zahlen, welche sich aus den gegenwärtigen Vollmitgliedern und Partnerstaaten ergeben, sind bereits jetzt sehr beeindruckend und überflügeln die G7 als Hauptorganisation des Kollektiven Westens bereits klar.
Neben den bereits aufgenommenen Mitgliedern und Partnern zeigt die grosse Liste der Länder, welche BRICS beitreten wollen, dass sich hier eine Gemeinschaft entwickelt, welche durchaus das Potential hat, wirtschaftlich die Welt zu dominieren. Es macht somit durchaus Sinn, mit Hilfe einiger Karten und Listen das Gewicht des wichtigsten Repräsentanten des Globalen Südens kurz zu beleuchten.
Mitglieder
BRICS bestand ab 2009 aus Brasilien, Russland, Indien, China, ab 2011 stiess Südafrika dazu und im Januar 2024 kamen der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien dazu; im Januar 2025 stiess Indonesien dazu, das ab Oktober 2024 (Kazan) Partnerstatus hatte.


Das Bruttosozialprodukt zeigen wir kaufkraftbereinigt. Wenn Sie den US-Dollar als Massstab für das BIP verwenden, wird die wirtschaftliche Kraft eines Landes verfälscht: Falls man die finanzielle Schlagkraft realistisch messen möchte, spielt es eine grosse Rolle, ob z.B. ein Big Mac in US-Dollar an einem Ort doppelt so viel kostet wie anderswo. Der sogenannte Big Mac Index ist Grund genug, beim Vergleich von BIP-Zahlen die kaufkraftbereinigten Zahlen zu verwenden. Der Grund, warum westliche Medien die nicht bereinigten Zahlen verwenden, ist reines Marketing, um die Abwertung des US-Dollars zu verschleiern und ihn stärker erscheinen zu lassen, als er ist.

Einordnung der Zahlen
Ölproduktion
Bei der Bewertung der Ölförderzahlen sollten die folgenden zusätzlichen Fakten berücksichtigt werden:
Erstens: Obwohl die USA mit einem Anteil von rund 18% an der Weltproduktion immer noch der grösste Ölproduzent der Welt sind, verbrauchen sie mit einem Anteil von über 20% auch am meisten Öl. Somit sind die USA derzeit nicht einmal in der Lage, ihren eigenen Verbrauch zu decken. Dieser Umstand allein ist ein zwingender Grund für die USA, etwa Saudi-Arabien unter Druck zu setzen, um einen BRICS-Beitritt zu verhindern.
Zweitens: Die grossen ölproduzierenden Mitglieder von BRICS haben einen grossen Einfluss oder sogar die Kontrolle über die OPEC. Da BRICS dadurch auch die OPEC beherrscht und somit den Preis und die Verteilung eines grossen Teils des Öls kontrolliert, kann von einer (indirekten) Monopolstellung von BRICS gesprochen werden.
Drittens: Die Produktionskosten für US-Öl betragen ein Mehrfaches verglichen mit den Produktionskosten in BRICS-Staaten.
Diese Faktoren verstärken somit die Machtstellung von BRICS betreffend Öl noch weiter.
Erdgas
In Bezug auf Erdgas ist anzumerken, dass mit dem Beitritt des Irans zu BRICS die beiden grössten Erdgasproduzenten der Welt gemeinsam Mitglieder von BRICS sind: Russland und der Iran.
Der grösste Nicht-BRICS-Gasproduzent ist das (noch) mit den USA verbündete Katar. BRICS ist somit auch in Bezug auf Erdgas ein echtes Machtzentrum.
Gold
In Bezug auf Gold sollte kurz erwähnt werden, dass China und Russland die Nummer 1 bzw. 2 bei der weltweiten Goldproduktion sind. Ich erwähne Gold hier, weil die Chancen gut stehen, dass Gold irgendwann wieder eine wichtige Rolle in zukünftigen Geldsystemen spielen wird – dazu äussern wir uns im nächsten Artikel.
Weitere Zahlen
Gemäss Aussagen von Präsident Putin vom 18. Oktober 2024, welche wir in unserem Beitrag «Vier Tage bis zur Eröffnung von BRICS – zwei Termine des russischen Präsidenten an einem Tag» besprochen haben, sind weitere Zahlen zu BRICS von Bedeutung:
BRICS steht für 39 Prozent der Industrieproduktion der Welt, im Vergleich dazu die G7 nur noch für 31 Prozent.
BRICS erzeugt 44 Prozent der Weltweizenproduktion, die G7 lediglich 19 Prozent.
Bei Reis lauten die Zahlen: BRICS 54 Prozent, 2,4 Prozent G7.
Bei der Erzeugung wichtiger Rohstoffe sehen die Zahlen so aus: BRICS produziert 74 Prozent des Aluminiums, die G7 fünf Prozent. Bei Palladium lauten die Werte: 77 zu 7 zugunsten von BRICS.
Partner
Offizielle Partnerstaaten, das heisst im Vorzimmer für eine Vollmitgliedschaft, befinden sich zurzeit Weissrussland, Bolivien, Kasachstan, Thailand, Kuba, Uganda, Malaysia und Usbekistan.
Die Türkei, welche letztes Jahr viel Energie darauf verwandte, Vollmitglied zu werden, schaffte es in Kazan nicht einmal, Partner zu werden. Viele Medien gingen davon aus, dass die Türkei Partner würde. Die BRICS-Führung hatte grünes Licht für die Aufnahme von 13 Staaten als Partner gegeben, ohne ihre Namen zu nennen, da der Umfang ihrer Bereitschaft für eine Vollmitgliedschaft oder einen anderen BRICS-Status mit ihnen diskutiert werden musste.



Türkei und Saudi-Arabien
Wir wiesen im Oktober darauf hin, dass im Internet kursierende Listen, auf welchen die Türkei auch als Partner aufschien, mit Vorsicht zu geniessen seien. Wir waren bereits nach den Aussagen des russischen Präsidentenberaters Anton Kobyakov am 23. Oktober 2024 in Kazan skeptisch – und behielten recht. Die illoyale und pitoyable Rolle Präsident Erdogans in Syrien, das nichts weniger als ein Verrat am Iran, Russland, Syrien und auch an BRICS war, wird wohl eine Partnerschaft oder gar Mitgliedschaft der Türkei unter Erdogan mittel- bis langfristig verunmöglichen; wir schrieben darüber in «Das Imperium schlägt zurück».
Saudi-Arabien wurde bereits im Sommer 2023 als Vollmitglied eingeladen, hat aber bis heute seinen Beitritt nicht ratifiziert. Saudi-Arabien ist bezüglich Rohstoff Öl mit einer Produktion von knapp 13% der Weltproduktion einer der grössten Produzenten der Welt und somit sehr interessant für BRICS, aber auch für den Kollektiven Westen.
Saudi-Arabien bzw. die Herrscherfamilie Saud ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Verbündeter der USA, wobei sich dieses Verhältnis seit der Vereinbarung des «Petrodollars» im Jahre 1974 weiter verfestigte. Während der Biden-Administration litt das Verhältnis zu den USA massiv, gleichzeitig verfestigte sich die Zusammenarbeit mit China und Russland auf ein nie dagewesenes Niveau.
Das Problem, welches Saudi-Arabien jetzt hat, sind die gigantischen Investitionen, welche der Staat und Private vor allem in den USA und Grossbritannien getätigt haben. Allein die staatlichen Investments in den USA belaufen sich auf über USD 35 Milliarden und in Grossbritannien sollen die Investitionen rund USD 75 Milliarden betragen. Aufgrund der geopolitischen Situation auf der Welt und der aggressiven Sanktionspolitik des Westens, sind saudische Bedenken, dass diese Investments im Falle eines BRICS-Beitritts beschlagnahmt werden könnten, auf jeden Fall berechtigt. Saudi-Arabien ist wichtig ist für BRICS. China hat die USA als grössten Handelspartner Saudi-Arabien abgelöst.
Faisal F. Alibrahim, der Minister für Wirtschaft und Planung von Saudi-Arabien äusserte am 12. Februar 2025 am World Governments Summit, dass das Königreich einen „rigorosen Prozess“ durchlaufe, um die Vor- und Nachteile eines Beitritts zum Block zu bewerten.
„Wie bei jeder multilateralen Plattform bewerten wir sorgfältig die Vorteile und Herausforderungen.“Faisal F. Alibrahim, 12. Februar 2025
Zu berücksichtigen ist zudem, dass Mohammed bin Salman (MbS) zwar derzeit der designierte Thronfolger nach König Salman ist, aber innerhalb der saudischen Königsfamilie gibt es traditionell mehrere potenzielle Anwärter. Offiziell wurde MbS 2017 von König Salman zum Kronprinzen ernannt und ersetzte damit seinen Cousin Mohammed bin Nayef, der vorher als Thronfolger vorgesehen war. Aber der definitive Sprung auf den Königsthron nach dem Tod von König Salman hängt nach saudischen Experten davon ab, dass er sich mit der saudischen Lobby in Washington gut stellt. Erst seiner Thronbesteigung wird man wissen, wieviel Spielraum er im Hinblick auf eine Kooperation mit BRICS haben wird.
Saudi-Arabien wird ein typisches Beispiel eines Spielballs der beiden Welten sein, einerseits aufgrund seiner geographischen Lage und andererseits aufgrund des gigantischen Ölvorkommens. Wir werden im 3. Teil darauf zurückkommen.
Interessenten
Die Liste jener Länder, welche Interesse an einem Beitritt haben bzw. Beitrittsgesuche eingereicht haben, ist unglaublich und beschreibt das Potential von BRICS in der Zukunft.
Acht Länder (Aserbaidschan, Bangladesch, Myanmar, Pakistan, Senegal, Sri Lanka, Syrien, Venezuela) haben formelle Beitrittsgesuche abgegeben. Weitere 33 Länder zeigen an einem Beitritt Interesse, wobei diese Zahl nicht in Stein gemeisselt ist.


