Die Ukraine erlebt eine schwere Umweltkatastrophe, schreibt das Online-Magazine Responsible Statecraft. Die Kriegshandlungen haben etwa ein Drittel des Territoriums mit giftigen Elementen verseucht, die in der Munition enthalten sind. Die Folgen für die Lebensmittelversorgung der Welt sind verheerend. Das Magazin berichtet:
„Etwa ein Drittel des ukrainischen Territoriums ist verseucht. Das ist von der Größe her vergleichbar mit einem durchschnittlichen europäischen Land. Gemessen an der Bodenverschmutzung pro Zeiteinheit erlebt die Ukraine derzeit die schwerste Umweltkatastrophe.
Giftige Elemente wie Blei, Kadmium, Arsen und Quecksilber sickern aus Munition und Waffen in den Boden. Wenn potenzielle Kontaminationszonen nicht rechtzeitig erkannt und beseitigt werden, können die Schadstoffe in die Nahrungskette gelangen und zu Karzinogenen werden. Dies wiederum bedroht die weltweite Ernährungssicherheit und die Exportchancen des Landes.“
Vor dem Kriegsausbruch waren etwa 400 Millionen Menschen in der ganzen Welt auf die eine oder andere Weise von Lebensmittellieferungen aus der Ukraine abhängig, betont die Zeitschrift. Jetzt ist es unwahrscheinlich, dass sie sich darauf verlassen können. Denn Schussmunition und chemische Waffen vergiften den Boden für Jahrzehnte oder sogar länger, heißt es in dem Bericht weiter:
„Der Boden ist keine erneuerbare Quelle. Böden und ihre fruchtbare Schicht werden über Tausende von Jahren gebildet. In 200 bis 400 Jahren wird lediglich ein Zentimeter Boden gebildet, in 5.000 bis 6.000 Jahren 20 Zentimeter. Schon zwei Jahre Krieg wie in der Ukraine können das zerstören, was sich in Tausenden von Jahren entwickelt hat.“
https://responsiblestatecraft.org/ukraine-russia-peace-talks/
Konflikt zwischen Russland und der Ukraine
4 Mär. 2024 07:30 Uhr
Das Pendel im Krieg schlägt zum Vorteil Moskaus aus, während sich das westliche Selbstvertrauen der vergangenen Jahre in Luft aufgelöst hat. Das dritte Jahr der speziellen Militäroperation Russlands auf dem Territorium der Ukraine verspricht dennoch in jeder Hinsicht entscheidend zu werden.
Ansicht, dass alles auf dem Schlachtfeld entschieden wird
Von Fjodor Lukjanow
Der russische Militäreinsatz in der Ukraine dauert nun seit nunmehr zwei Jahren an. Die Ansicht, dass alles auf dem Schlachtfeld entschieden wird, ist zu einem Axiom geworden, obwohl sich die Bewertung der Ergebnisse geändert hat. Vor anderthalb Jahren äußerte sich der Chef der EU-Diplomatie Josep Borrell noch optimistisch, jetzt eher nur noch alarmierend. Lassen Sie uns die Behauptung wagen, dass uns ein sehr wichtiger Moment bevorsteht, und zwar nicht nur im militärischen, sondern vor allem im politischen Sinne.
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Die Motivation für den russischen Militäreinsatz in der Ukraine verband von Anfang an zwei Handlungsstränge unterschiedlicher Natur, die jedoch durch die Umstände der jüngeren Geschichte miteinander verbunden wurden. Dabei handelt es sich erstens um die Prinzipien der internationalen Sicherheit, wie sie sich nach dem Ende des Kalten Krieges herausgebildet haben, und zweitens um die Ukraine-Frage als Teil der nationalen Selbstidentifikation. Die Grundlage für diesen zweigleisigen Ansatz bildet Wladimir Putins Aufsatz „Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern“ dargelegt, der sechs Monate vor dem offenen Ausbruch der Feindseligkeiten publiziert wurde. Darin verknüpfte der russische Präsident das Problem der militärisch-politischen Sicherheit seines Landes mit der Zerstörung dieser nationalen Zusammengehörigkeit. Basierend auf einem detaillierten Ausflug in die Geschichte argumentierte das Staatsoberhaupt der Russischen Föderation, dass Versuche, eine eigene ukrainische Identität zu bilden, immer mit dem Wunsch externer Akteure verbunden waren und sind, Russland zu schwächen und in einem strategisch wichtigen Gebiet einen Außenposten ihm feindlich gesinnter Kräfte zu etablieren.
Zwischen Großmächten entstehen Konflikte mit globalen Auswirkungen häufig aus konkreten kontroversen Themen. In vorliegenden Fall sind die strittigen Fragen nicht nur miteinander verknüpft, sondern auch äußerst emotional geprägt – für die Ukraine und zumindest für einen Teil Europas, insbesondere aber für Russland. Daher sind sie schwierig zu handhaben. Ein Hauptproblem ist, dabei Prioritäten zu setzen: Welche Herausforderung ist der Vorrang einzuräumen? Im Idealfall natürlich beiden Herausforderungen gleichzeitig. Aber ist das machbar? Eine Entscheidung zu treffen oder eine „universelle Lösung“ zu erzielen, lautet die Frage, vor der Moskau in naher Zukunft stehen könnte.
Territoriale Erweiterung gegen NATO-Erweiterung
Als Auftakt für den Beginn der russischen Militäroperation diente die Frage nach einer „Einhegung “ der NATO und des Aufbaus alternativer Sicherheitskonzepte auf dieser Grundlage. Die entsprechenden Vorgaben waren in einem Memorandum unseres Außenministeriums nach den Verhandlungen mit den USA im Dezember 2021 festgehalten. Soweit wir heute wissen wurde dasselbe auch bei den Verhandlungen in Weißrussland und in der Türkei im Frühjahr 2022 besprochen: Der neutrale Status der Ukraine (also die Absage der westlichen Allianz an eine weitere Ostenexpansion) sowie die Begrenzung ihres militärischen Potenzials waren offenbar als Ausgangspunkte für weitere, umfassendere Verhandlungen und Vereinbarungen gedacht. Putin äußerte dasselbe kürzlich in seinem Interview mit Tucker Carlson: Der Krieg hätte mit den Vereinbarungen von Istanbul enden können, wenn niemand von außen die Verhandlungsparteien daran gehindert hätte, eine Einigung zu erzielen. Aus diesen Worten folgt einmal mehr, dass das ursprüngliche Ziel im Hinblick auf die europäische Situation als Ganzes formuliert wurde und nicht auf territoriale Gewinne ausgerichtet war.
Meinung
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Jedoch hat sich die Situation in den vergangenen zwei Jahren verändert und es ist die zweite Komponente der Motivation, die in den Vordergrund rückte. In zwei Appellen von Wladimir Putin im Februar 2022, unmittelbar vor dem Beginn der Feindseligkeiten in der Ukraine, lag der Schwerpunkt auf der historischen Ungerechtigkeit und Inkongruenz der Aufteilung eines Volkes in Bürger zweier verschiedener Staaten sowie auf den dadurch künstlich gezogenen Grenzen. Da der ursprüngliche Plan des russischen Feldzugs – eine scharfe und rasche Umkehrung des militärisch-strategischen Status der Ukraine – nicht verwirklicht werden konnte und er sich somit in die Länge zog, wurde die Frage der territorialen Kontrolle und des Verlaufs der Frontlinie zur Hauptfrage.
Der Wunsch und der tatsächliche Beitritt neuer Gebiete zur Russischen Föderation im Herbst 2022 schlossen die Möglichkeit von Kompromissen aus, die im Frühjahr desselben Jahres noch hätten diskutiert werden können, nämlich eine Rückkehr zu den Positionen, die vor Ausbruch der umfassenden Feindseligkeiten bestanden. Es wird ständig darauf hingewiesen, dass alle Verhandlungen von nun an die Realitäten „vor Ort“ berücksichtigen müssen, und da sich diese weiterhin ändern werden, ist das Ergebnis nicht vorherbestimmt.
Der so entstandene Aufwand – vor allem in personeller, aber auch in materieller Hinsicht – legte die Hürde für eine hypothetische Einigung noch deutlich höher. Aus Sicht des Kremls bestätigt die Unfähigkeit der Ukraine, ohne kontinuierliche und massive Hilfslieferungen aus dem Ausland zu kämpfen, die in Putins Artikel zum Ausdruck gebrachte These über den von außen inspirierten Charakter des ukrainischen Nationalprojekts. Somit wurden schließlich die beiden Komponenten – die europäische Sicherheit und die territoriale Integrität und Identität der Ukraine – letztendlich miteinander verknüpft. Mit anderen Worten:
Die Beziehungen Russlands zur Ukraine und die Beziehungen Russlands zu den USA und zur NATO sind der Kern ein und desselben Problems.
Erstarren statt Erkennen
Jede veränderte Konfiguration der Ukraine wird derzeit weder in Kiew noch von den westlichen Sponsoren rechtlich anerkannt. Das bedeutet, wir können bestenfalls von einem Einfrieren, einer Aussetzung der Feindseligkeiten sprechen – also einer Art osteuropäischer Version des koreanischen „38. Breitengrades“. Das ist jedoch fast eine Garantie dafür, dass der Konflikt bei der ersten passenden Gelegenheit mit noch größerer Heftigkeit wieder in eine heiße Phase tritt.
Eine Anerkennung der veränderten geopolitischen Realitäten ist theoretisch nur im Falle eines offensichtlichen und unbestreitbaren militärischen Ergebnisses möglich.
In diesem Fall werden sich die Umrisse der Grenzen nicht nur von den ursprünglichen, sondern auch von den heutigen sehr unterscheiden. Eine rechtliche Konsolidierung der Veränderungen würde de facto die Entstehung einer anderen Sicherheitsarchitektur in Europa bedeuten. Aber derzeit scheint niemand dazu bereit zu sein, im Gegenteil: Die im Westen vorherrschende Meinung ist, dass jedes Zugeständnis an Moskau ein „Bonus für den Kreml“ darstellen würde, der die angeblich aggressiven Ambitionen noch anfeuern würde. Außerdem würde die Sicherheit Europas nur durch einen raschen Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten der NATO und insbesondere ihrer europäischen Mitglieder gewährleistet werden. Allerdings sieht es bei Letzterem nicht besonders gut aus – das militärische Potenzial wurde durch die materielle Hilfe für die Ukraine erheblich geschwächt, und die Schaffung neuer Kapazitäten wird Zeit, Geld und politischen Willen erfordern, wobei alle drei Faktoren Mangelware sind. Und genau hier wird sich – wahrscheinlich schon bald – der Weg gabeln.
Neues Handbuch der US-Armee über Russland: „Kennen Sie Ihren Feind?“
Westdeutsches Szenario
Spekulationen über irgendeine Art von Friedensgesprächen gibt es schon seit Längerem, was widersprüchliche Reaktionen auslöste – von der Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens bis hin zum Verdacht auf die Bereitschaft zu „verhandeln“. Der Gegenstand der Gespräche bleibt unklar: Sowohl die öffentlich verkündeten als auch – soweit man beurteilen kann – die vertraulichen Positionen der Parteien sind unvereinbar. Beide Seiten beharren auf der Kapitulation des Gegners. Da sich erstens die schwierige Lage auf dem Schlachtfeld hinzieht und zweitens die politischen Probleme unter den Gönnern der Ukraine zunehmen, ist eine Verschiebung zu möglicherweise konkreten Vorschlägen denkbar.
Von 2014 bis zum Frühjahr 2022 (also den Verhandlungen in Istanbul) blieb die Neutralität der Ukraine das zentrale Thema. Moskau bestand darauf, und vor zehn Jahren sprachen sich die damals noch lebenden Patriarchen der US-Diplomatie Henry Kissinger und Zbigniew Brzeziński für eine solche Lösung aus. Im Jahr 2022 kam Kissinger zu dem Schluss, der neutrale Status der Ukraine sei nun nicht mehr relevant und sie solle nun in die NATO aufgenommen werden und einen Teil ihres Territoriums opfern. Für diese Bemerkung wurde er von den Ukrainern umgehend auf deren Liste der „Feinde der Ukraine“, also auf „Mirotworez“ gesetzt, was zu Deutsch „Friedensstifter“ heißen soll und im Westen überwiegend negative Reaktionen hervorrief.
Jetzt scheint dieses Testament des letzten großen Meisters der Diplomatie des 20. Jahrhunderts wie ein Masterplan auszusehen. Die Rückkehr von Gebieten unter russischer Kontrolle nach Kiew halten selbst US-Strategen nicht mehr für wahrscheinlich. Dementsprechend besteht nun die Idee darin, dass der wahre Sieg der antirussischen Koalition die Erhaltung der ukrainischen Staatlichkeit und deren Konsolidierung innerhalb der euroatlantischen Allianz sein müsse. Mit anderen Worten: Sie müssen verhindern, dass Moskau seine erste – und zunächst wichtigste – Priorität (bezüglich der NATO-Expansion) auf Kosten der Verweigerung eines (eigentlich schon unvermeidlichen) territorialen Zugeständnisses als der zweiten Priorität verwirklichen kann.
Meinung